Nicht nur unsere körperlichen Bedürfnisse wie Hunger und Durst, nach Wärme, Ruhe und Wohlbefinden sowie nach Unversehrtheit und Sicherheit motivieren uns, sondern auch das nach Stimmigkeit und Frieden, gefühltem Vertrauen, Verbundenheit, Wertschätzung u.a.m.

Alle unsere Bedürfnisse lassen sich drei grundlegenden neuro-motivationalen Systemen zuordnen, also drei unterschiedlich vernetzten Hirnstrukturen, die unsere Bedürfnisse und Intentionen in Taten umsetzen: dem Kohärenz-, Annäherungs- und Abwendungssystem.

  1. Für die Umsetzung des übergeordneten Bedürfnisses nach Stimmigkeit im Inneren und Außen motiviert das Kohärenzsystem.
  2. Zur Annäherung an lustversprechende Ziele bewegt uns das Annäherungssystem mit dem ‚inneren Belohnungssystem‘.
  3. Für das Abwenden von Gefahren und damit für Sicherheit sorgt das Abwendungs-/Vermeidungssystem mit der Stressregulation.

Wenn nun ein wichtiges Bedürfnis befriedigt oder frustriert wird, entsteht ein Gefühl oder eine Emotion, die uns zu weiterem Tun veranlasst.

Wenn wir z.B. Harmonie in unserer Familie erleben, freuen wir uns und sind dankbar (im Kohärenzmodus).

Wenn ein Säugling Durst hat aber nichts bekommt, schreit er wütend (Emotion im Annäherungsmodus).

Wenn ein Kind gerade Nähe braucht, aber die Bezugsperson weg geht, weint es (im Annäherungsmodus).

Wenn wir mit jemandem zusammenarbeiten möchten, dieser aber die Absprachen nicht einhält, kommt Ärger auf (Annäherungsmodus).

Wenn sich jemand bedroht fühlt, bekommt er Angst oder Furcht oder erschreckt sich (Warnlampe im Abwendungsmodus).

Wenn wir uns angesichts einer Gefahr ohnmächtig fühlen, brauchen wir Schutz und Hilfe (im Abwendungsmodus).

Bei Verwesungsgeruch kommt Ekel auf und veranlasst uns zum Abwenden.

So können wir angesichts von Emotionen auf bestimmte Bedürfnisse dahinter schließen, die durch die Emotionen ausgedrückt werden. Mit den Emotionen wird auch noch eine Bewertung der gerade erlebten Interaktion kommuniziert. Wenn ich wütend werde, teile ich dem Partner implizit mit, dass er mich nicht genügend beachtet hat. Wenn ich traurig bin bedeutet das auch, dass ich mich allein gelassen fühle. Wenn ich Angst habe, sagt das auch, dass jemand mein Bedürfnis nach Sicherheit nicht respektiert. Schockreaktion zeigt unseren Mitmenschen an, dass hier Lebensgefahr droht, die alleine nicht aktiv abgewendet werden konnte. Es braucht dringend Hilfe. (vgl. a. Seite „Stress-Lösung“).

Mit unseren Emotionen, also den Gefühlen, die uns in Bewegung bringen, drücken wir soziale Bedürfnisse und Bewertungen aus. Emotionen sind also eine nonverbale Bedürfniskommunikation.

Tabelle: Menschliche Grundbedürfnisse und verknüpfte Emotionen im Zusammenhang der zugrundliegenden neuro-motivationalen Systeme

1) Kohärenzmodus zum übergeordneten Zusammenwirken, Kooperieren (Integrieren in das größere Ganze): Neuropsychisches Kohärenzsystem („liking“)
Bedürfnis, Anliegen, Streben nach Bewusstseinsaktivität
Übergeordnete Stimmigkeit / Kohärenz, globale / universelle Verbundenheit / Zugehörigkeit;

Bewusstseinsentwicklung

 

Reflexion

„gesunder Menschenverstand“

Gelassenheit

Innerer Frieden

Weisheit

Verantwortungsbewusstsein Liebe – Allverbundenheit

Guter Wille

Mehr Stimmigkeit Emotion bei Befriedigung: Freude und Dankbarkeit

Bei Frustration: Enttäuschung

 

2) Annäherungsmodus zum lustvoll aufbauenden Zusammenwirken / attraktive Kooperation (Leben, wachsen, vermehren): Neuropsychisches Annäherungssystem (Dopamin, „Inneres Belohnungssystem“)
Bedürfnis Ausdrückende Emotion (bei Frustration des Bedürfnisses)
Beachtet zu werden (gesehen, gehört…) Wut
Verbundenheit (zu Mitmenschen) Trauer
Menschlich partnerschaftliche Kooperation Ärger
Familiärer Zusammenhalt / Zugehörigkeit Gewissen (führt zur Loyalität)
Kulturelle Zugehörigkeit Scham
Kooperation wiederherstellen (nach Verletzung) Schuldgefühle

 

2) Abwendungsmodus zum Schaffen von Sicherheit; (sich) abwenden von Bedrohungen – zum Überleben – individuell und gemeinsam: Neuropsychisches Abwendungs-/Vermeidungssystem
Bedürfnis Ausdrückende Emotion (bei Frustration)
Sicherheit und Vertrauen, Mut Angst, Furcht, Erschrecken
Unversehrtheit, Heil- / Ganz-Sein Schmerz
Reinheit, Hygiene Ekel
Überleben Totstellreflex, Schock, Ohnmacht, Hilflosigkeit

 

Emotionale Kompetenz und Kommunikation von Bedürfnissen

Eltern gehen instinktiv auf das hinter der Emotion motivierende Bedürfnis ein, wenn sie den Säugling stillen, wenn er schreit, oder das Kind fragen, was es will, wenn es wütend ist, bzw. es an die Hand oder auf den Arm nehmen, wenn es weint. Dann stellen sie eine vertrauensvolle Kooperation durch Eingehen bzw. Verbundenheit her. Wenn der Säugling nicht geschrien hätte, wäre er womöglich verhungert; wenn das Kind nicht geweint hätte, wäre es vielleicht weiter allein geblieben, ganz einsam geworden. Emotionen sind ein verstärkter Ausdruck unserer Grundbedürfnisse, die unser Leben besser bzw. sicher machen sollen. Deshalb ist es so wichtig, Emotionen und die damit verknüpften Bedürfnisse wohlwollend anzunehmen. Das ist der erste Schritt zu einer emotionalen Kompetenz – ganz besonders für Erwachsene, die in ihrer kulturell geprägten Familie früh gelernt haben, dass bestimmte Emotionen und eigene Bedürfnisse nicht erwünscht sind. Für sie ist oft das Gefühl noch leichter zugänglich als das Bedürfnis. Sie können sich dann fragen: Welches Bedürfnis hat meine Emotion in Bewegung gebracht? Für die Suche nach Antworten können Sie die obige Tabelle zu Hilfe nehmen.

Die Tabelle kann eine Orientierung geben, soll aber nicht zu schematisch angewendet werden. Unsere Bedürfnis- und Gefühlswelt und die bei jedem Einzelnen dazu passenden Worte sind zu komplex und individuell, als dass man sie vollständig in eine so einfache Tabelle pressen kann.

Wenn Sie Ihr Bedürfnis hinter Ihrer Emotion spüren, folgt der nächste Schritt: Ihr Bedürfnis in Worten ausdrücken. Z.B. können Sie bei Wut und dem Bedürfnis, beachtet zu werden, sagen: „Bitte höre mir jetzt mal zu!“ Oder wenn Sie traurig sind, weil Sie jemand verlassen hat: „Ich wünsche mir von Herzen eine Verbundenheit mit… (wem?).“ Oder bei Ärger: „Ich wünsche mir mit Ihnen / dir eine bessere, eine partnerschaftlichere Kooperation. Das bedeutet für mich…“ Oder bei einem Gefühl von Ohnmacht: „Ich brauche dringend Hilfe.“ Oder bei Angst: „Ich habe Angst. Kannst du mir bitte helfen, mich zu schützen?“

Das übergeordnete Kohärenzstreben

Das neuro-motivationale Kohärenzsystem (1) wurde als letztes entdeckt und taucht deshalb in der deutschsprachigen Literatur bislang recht selten auf. Es ist eng mit dem Dopamin gesteuerten Annäherungssystem (2) verknüpft und wird oft mit diesem zusammengesehen. Es ist aber diesem, zu lustvollem affektiven Handeln führenden ‚inneren Belohnungssystem‘ übergeordnet und befähigt uns, z.B. auf Drogen und damit auf lustvolles Verhalten zu verzichten, wenn wir darin einen höheren Sinn sehen. Das kann die eigene Gesundheit, ein klares Bewusstsein, die Familie oder Gemeinschaft oder die Umwelt oder sinnvolle Werte betreffen.

In dieser Kohärenzmotivation streben wir nach Stimmigkeit in und mit übergeordneten Lebenseinheiten und können dabei Gelassenheit entwickeln, nicht nur gegenüber Verlockungen, sondern auch gegenüber vielen Bedrohungen. Wir können aus einer inneren Distanz zu äußeren Verführungen und Gefahren unser Verhalten immer freier, autonomer und würdevoller bestimmen.

Um uns diesem attraktiven Ziel anzunähern, können Achtsamkeitsübungen und Meditationen helfen, Reflexion unserer Selbst und Beziehungen wie auch Engagement für etwas Größeres, für einen höheren Sinn, der mit unserer Vernunft und unserem Verantwortungsbewusstsein verknüpft ist.